Quelle: kobinet
Berlin Das derzeitige System und die Begrifflichkeit der Rehabilitation in Deutschland müssen im Licht der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen komplett auf den Prüfstand gestellt werden. So lautet das Fazit heute am Ende einer zweitägigen Fachkonferenz von Netzwerk Artikel 3, der Arbeitsgruppe Recht und Politik der Rehabilitation in der DGRW (Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften) und des IMEW (Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft).
"Der segregierende Teufelskreis der Rehabilitation muss jetzt endlich durchbrochen werden", betonte Theresia Degener, Professorin für Recht und Disability Studies an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe auf der Veranstaltung in Berlin. Um dies zu erreichen, sollten drei Punkte eine Rolle spielen: Erstens müsse das bislang vorherrschende medizinische Modell von Behinderung in der Rehabilitation von einem menschenrechtlichen Modell abgelöst werden. Zweitens müsse dies durch ein "Change-Management" aktiv mit Anreizen von außen begleitet werden und drittens müsse sich Rehabilitation in Zukunft als Diversity-Ansatz verstehen, bei der die menschliche Vielfalt mit individuellen Ansätzen aufgegriffen werde.
Zu Beginn des zweiten Tages der Fachkonferenz erläuterte Sabine Häfner vom Netzwerk Artikel 3 die Bedeutung der UN-Konvention für Frauen mit Behinderungen und hob die Notwendigkeit etwa von geschlechtsdifferenzierten Statistiken hervor. Professor Markus Krajewski von der Universität Bremen stellte eindrücklich dar, warum auch die Bundesländer an die Konvention gebunden sind. Ottmar Miles-Paul, Landesbehindertenbeauftragter von Rheinland-Pfalz, sprach über die Probleme und Erfolge bei der Entwicklung eines Aktionsplans auf Länderebene.
In der abschließenden Podiumsdiskussion räumte Frank Ulrich Montgomery, Vizepräsident der Bundesärztekammer, ein, dass 99 Prozent der deutschen Ärztinnen und Ärzte die Konvention nicht kennen. Matthias Schmidt-Ohlemann, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation, betonte, dass ein durchgängiges Disability Mainstreaming gerade auch bei den Organen der Selbstverwaltung im Gesundheitsbereich wichtig sei. Hubert Hüppe, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, äußerte seine Zweifel daran, dass die jetzige Form der privaten Krankenversicherung mit der UN-Konvention vereinbar sei.
Die Vielfalt der angesprochenen Themen zeige, so die Bilanz der Veranstalter, dass man gerade erst begonnen habe, eine neue Sichtweise in die Rehabilitation einzuführen. Dies sei ein langjähriger Prozess, der vor allem durch die aktive Beteiligung der Betroffenen zu gestalten sei. Es ist geplant, in Kürze einen Tagungsbericht im Internet zu veröffentlichen.