Kasse muss nicht zugelassene Arzneien nur in seltenen Ausnahmefällen zahlen

  • Bundessozialgericht lehnt Klage einer Patientin mit Friedreichscher Ataxie ab.



    Ärzte können nicht alle schwer kranken Menschen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen mit in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln und Therapien behandeln. Dies setze vielmehr eine "Akut-Problematik" und eine "notstandsähnliche Situation" voraus, wie das Kasseler Bundessozialgericht (BSG) in einem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil klarstellt.


    Die heute 25 Jahre alte Klägerin leidet an Friedreichscher Ataxie, einer erblichen Koordinationsstörung, die stoßweise zu unkontrollierten Bewegungen der Arme und Beine sowie zu einer Verdickung der Herzmuskelwand führt. Von ihrer Krankenkasse verlangte sie die Behandlung mit dem in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittel Mnesis mit dem Wirkstoff Idebenone, ein synthetischer Abkömmling von Coenzym Q10, der antioxidativ wirkt und die Mitochondrien stimuliert.


    Dabei stützte sie sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2005. Dies hatte auf die Beschwerde eines an Duchenn‘scher Muskeldystrophie leidenden Jugendlichen entschieden, dass die Kassen bei lebensbedrohlichen Krankheiten auch nicht anerkannte Alternativmethoden bezahlen müssen, wenn eine begründete, "nicht ganz fern liegende Aussicht" auf Heilung oder zumindest Linderung besteht, eine anerkannte Therapie aber nicht verfügbar ist. Das BSG war dem im April 2006 gefolgt.


    Mit dem neuen Urteil machten die Richter nun aber deutlich, dass die Schwelle hierbei deutlich höher sei, als beim Off-Label-Use. Voraussetzung für den Off-Label-Use sei bereits eine "schwerwiegende" Erkrankung. Bei nicht zugelassenen Arzneien komme es zusätzlich auf den Verlauf der Krankheit und einen "gewissen Zeitdruck" an. Lasse dagegen auch eine schwere Krankheit stabile Symptome ohne Verschlimmerung erwarten, so sei es den Betroffenen zuzumuten, "auf die Chancen des stetig voranschreitenden medizinischen Fortschritts" zu warten. So werde derzeit auch der Wirkstoff Idebenone in Deutschland erforscht. Die Lebenserwartung mit Friedreichscher Ataxie sei deutlich höher als bei Duchenn‘scher Muskeldystrophie.


    Urteil des Bundessozialgerichts, Az: B 1 KR 12/06 R