Priorisierung bei Heredoataxie

    • Offizieller Beitrag

    Empfehlung des Medizinischen Beirats der Deutschen Heredo-Ataxie-Gesellschaft e. V. (DHAG) zur Zuordnung von Betroffenen von einer Heredo-Ataxie in fortgeschrittenen Stadien (Stand: 16.2.2021)


    Der Medizinische Beirat der DHAG empfiehlt, Betroffene von einer Heredo-Ataxie in fortgeschrittenen Stadien, die

    • bettlägerig bzw. immobil (z. B. im Rollstuhl und nur mit Unterstützung gehfähig) sind und/oder
    • unter Schluck- und Atemstörungen (mit der Gefahr der Aspirationspneumonie) leiden

    der nach § 3 der Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverordnung – CoronaImpfV)


    der Gruppe mit Personen, bei denen ein sehr hohes oder hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht,


    zuzuordnen.


    Begründung:


    Vergleichbar zu den unter § 3 genannten Personen (mit Trisomie 21, einer Demenz oder geistigen Behinderung bzw. nach Organtransplantation) und im Unterschied zu den unter § 4 genannten Personen haben die oben genannten Ataxie-Kranken auf Grund der Kombination neuro-muskulärer Symptome nicht nur ein „erhöhtes“, sondern ein „sehr hohes bzw. hohes Risiko“ an den Folgen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu versterben.


    Hinzuweisen ist auch auf die


    Aktualisierung der COVID-19-Impfstrategie durch die STIKO


    Die Ständige Impfkommission hat ihre Covid-19 Impfempfehlungen mit Publikation vom 4.2.2021 aktualisiert. Jetzt können auch Menschen mit seltenen Erkrankungen bei der Priorisierung berücksichtigt werden.


    Im Konkreten heißt es dort:


    Bei der Priorisierung innerhalb der COVID-19-Impfempfehlung der STIKO können nicht alle Krankheitsbilder oder Impfindikationen explizit genannt werden. Es obliegt daher den für die Priorisierung in den Bundesländern Verantwortlichen, in Einzelfällen Personen, die nicht ausdrücklich im Stufenplan genannt sind, angemessen zu priorisieren. Dies betrifft z. B. Personen mit seltenen, schweren Vorerkrankungen oder auch schweren Behinderungen, für die bisher zwar keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz bzgl. des Verlaufes einer COVID-19-Erkrankung vorliegt, für die aber ein deutlich erhöhtes Risiko angenommen werden muss.“


    https://www.rki.de/DE/Content/…df?__blob=publicationFile


    Die Heredo-Ataxie-Krankheiten gehören zur Gruppe der seltenen Erkrankungen. Die Deutsche Heredo-Ataxie-Gesellschaft e. V. und ihr Medizinischer Beirat begrüßen diese Entwicklung und bedanken sich bei allen, die an dieser Entscheidung beteiligt waren.


    Dr. med. Friedmar R. Kreuz, M. A.

    Sprecher des Medizinischen Beirates

  • Gutes Statement. :thumbup:

    Liebe Grüße von Manu


    Denke nicht an das Gewinnen, doch denke darüber nach, wie man nicht verliert.

    Gichin Funakoshi

  • Hallo Marion,


    was heißt das jetzt für uns:

    - Abwarten, ob und wie die STIKO darauf reagiert

    - oder uns mit dieser Empfehlung ein Attest von unserem Neurologen/in für eine Einzelfallentscheidung ausstellen lassen?


    Was meinen die anderen dazu?

    LG Heike

    Jetzt, jetzt, jetzt leben. Nicht warten!:Freudensprung:

    • Offizieller Beitrag

    Moin liebe Mitglieder,


    Ihr könnt beim Gesundheitsamt einen Antrag zur vorzeitigen Impfung stellen und sich auf die Stellungnahme des Medizinischen Beirat berufen. Auch könnt Ihr es Euren Neurologen vorlegen und mit ihm absprechen. Die STIKO wird darauf nicht reagieren, da das Schreiben nicht an die STIKO ging.

    Die Impfempfehlung schließt bei der Priorisierung Kranke mit seltenen Krankheiten ein, da wird kein Handlungsbedarf mehr sein.


    Ihr solltet Euch mit unserer seltenen Erkrankung als "Impfwilliger" melden.


    Natürlich gibt es keine Garantie, dass es vorzeitig klappt. Die können wir leider nicht geben.

  • Ich würde jedem raten, vom Arzt des Vertrauens prüfen zu lassen, ob er nicht bereits eine der unter § 3, insbes. Buchstaben c) bis i), Impfverordnung aufgeführten Krankheiten zusätzlich zur Ataxie hat.

    https://www.bundesgesundheitsm…BAnz_AT_08.02.2021_V1.pdf

    Zitat:

    Aus § 3 der Impfverordnung:

    c) Personen mit einer Demenz oder mit einer geistigen Behinderung oder mit schwerer psychiatrischer Erkrankung,
    insbesondere bipolare Störung, Schizophrenie oder schwere Depression,
    d) Personen mit malignen hämatologischen Erkrankungen oder behandlungsbedürftigen soliden Tumorerkrankungen, die nicht in Remission sind oder deren Remissionsdauer weniger als fünf Jahre beträgt,
    e) Personen mit interstitieller Lungenerkrankung, COPD, Mukoviszidose oder einer anderen, ähnlich schweren
    chronischen Lungenerkrankung,

    f) Personen mit Diabetes mellitus (mit HbA1c ≥ 58 mmol/mol oder ≥ 7,5%),
    g) Personen mit Leberzirrhose oder einer anderen chronischen Lebererkrankung,
    h) Personen mit chronischer Nierenerkrankung,
    i) Personen mit Adipositas (Personen mit Body-Mass-Index über 40),
    j) Personen, bei denen nach individueller ärztlicher Beurteilung aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall ein
    sehr hohes oder hohes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem
    Coronavirus SARS-CoV-2 besteht

    Ataxien sind oft Multisystemerkrankungen, teils auch mitochondriale Erkrankungen, so dass einige vielleicht die interstitielle Lungenerkrankung oder eine andere chronische schwere Lungenerkrankung (Buchstabe e) haben oder auch eine chronische Lebererkrankung (Buchstabe g).

    Dann könnte man sich evtl. die Genehmigung durch das Gesundheitsamt ersparen, wenn diese anderen Voraussetzungen zutreffen.


    Gerade chronische Lebererkrankungen sind häufiger als man denkt. Die Dunkelziffer unerkannter Leberkrankheiten soll hoch sein.

    Zitat von https://www.deutsche-leberstiftung.de/downloads/pressearchiv/pm-bluthochdruck_2013-04-03

    Die Dunkelziffer der unerkannten Lebererkrankungen liegt bei rund 70 Prozent, so schätzen
    Experten.

    Die sog. Eisenspeicherkrankheit (Hämochromatose)

    siehe z. B. hier: https://www.leberhilfe.org/leb…e-eisenspeicherkrankheit/

    soll die häufigste Erbkrankheit überhaupt sein. Sie ist wird oft nicht diagnostiziert - auch weil es Ärzte gibt, die bei erhöhten Leberwerten glauben, dass diese durch zuviel Alkohol (und daher selbstverschuldet) zustande kommen (kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen). Bei meinem Bruder wäre sie nicht festgestellt worden, wenn ich nicht dafür gesorgt hätte, dass er in die Uniklinik geht (er hatte leicht erhöhtes Ferritin und hat eine milde Form dieser Krankheit).

    Bei Frauen ist die Diagnosestellung vor den Wechseljahren deutlich erschwert, weil dann das Ferritin oft nicht soo auffällig ist.

    Aber diese Krankheit ist eine "chronische und unheilbare Leberkrankheit" und müsste zu einer Impfberechtigung führen.

    Nebenbei bemerkt: Sie ist vor allem auch behandelbar (durch Aderlässe)!

    Vielleicht würde es auch genügen, wenn der Arzt aufgrund von dauerhaft erhöhten Leberwerten und ggf. auffälligem Ultraschall der Leber die chronische Leberkrankheit bestätigt, ohne dass deren Name bereits feststeht.

    Ggf. kann man im Zweifel sicher auch kurzfristig den Gentest auf diese Krankheit machen lassen, wenn es Anhaltspunkte für die Krankheit gibt.

    Aber es gibt natürlich noch eine Reihe anderer Leberkrankheiten. Leberkrankheiten sind meist chronisch.

    Einmal editiert, zuletzt von Mina ()