Diskussion des Monats: Gendiagnose

  • Diskussion des Monats: Gendiagnose - gibt es ein Recht auf Nichtwissen?


    Einige Gentests ermöglichen es, künftige Krankheiten lange vor ihrem Ausbruch zu prognostizieren. Das ist Chance und Risiko zugleich - für den Einzelnen und für die Gesellschaft. Was darf getestet werden? Und wer darf die Durchführung von Test einfordern? Wie wird mit den sensiblen Daten verfahren? Ein Regierungsentwurf zum Gendiagnostikgesetz liegt dem Bundestag vor. Debattieren Sie mit in unserer Rubrik "Diskussion des Monats"!


    Ein Projekt der Aktion Mensch. Mehr Infos hier klicken

  • Tja, das ist echt schwierig:


    Besonders dann, wenn man selber noch gar keine Symptome hat.
    Wenn man den Gentest macht, weil Vater oder Mutter an einer Erbkrankheit leiden..
    Wie geht man mit einem "positiven" Gentest um?
    Man wartet dann doch nur auf den Ausbruch der Krankheit.
    Noch schwieriger ist es, wenn man einen eventuellen Kinderwunsch davon abhängig macht.


    Eine gute Bekannte von mir, deren mittlerweile verstorbener Mann an SCA 1 erkrankt war, hat ihre beiden Töchter testen lassen, eine hat vom Vater das kranke Gen geerbt, die andere nicht.
    Sie hält es für unverantwortlich keinen Gentest machen zu lassen und eventuellen Kindern das Risiko einer Erkrankung aufzubürden.


    Ich weiß nicht, was ich meinen beiden Kindern raten soll.


    Hier ein recht interessanter Science-Fction - Film, in dem es auch um Gendiagnose geht: Gattaca


    Glück hängt nicht davon ab,
    wer du bist oder was du hast,
    es hängt nur davon ab, was du denkst.

  • ich glaube auch, das ist eine höchstpersönliche Entscheidung; ich bin im nachhinein froh, dass ich diese Entscheidung nie treffen musste.

    Wahrscheinlich hätte ich mich für den Test entschieden, mit dem Ergebnis, dass mir die Hoffnung auf ein Leben ohne SCA genommen worden wäre.


    Burkhard

    Einmal editiert, zuletzt von Burkhard ()

  • das mit den kindern is wirklich ne gute Frage. Ok, ich bin erst 20, aber irgenwann will ich unbeingt ne familie grünen, vorausgesetzt ich finde mall die passene Frau für mich.. Nun ist es für mich natürlich auch schwer. Ich hab ne sca2 und die chance dass meine kinder das auch bekommen. was mach ich nun? ich meine klar, es gibt die möglichkeit der adoption, aber eigene kinder wären schon schöner. und welche adoptionsbehörde lässt es zu dass ein schwerbehinderter mann ein kind adoptiert?

    • Offizieller Beitrag

    also, ich finde es nicht unverantwortlich, wenn man keinen gentest machen lässt, vor allem, wenn noch keine symptome da sind! wie burkhard ganz richtig sagte, ein gentest kann einem auch die illusion eines gesunden lebens rauben. meine vier kinder (alle über 18) sind nicht erpicht darauf, einen gentest machen zu lassen und keiner von ihnen hat mich gedrängt, mich testen zu lassen (hab ich daher erst letzten november, 11 jahre nach auftreten deutlicher symptome: SCA3).
    meine tochter sagt, dass sie lieber mit 40 ne ataxie hätte als im selben alter an krebs zu sterben.
    klucki, ist bei deinem vater /deiner mutter (ich weiß nicht, von wem du die SCA2 geerbt hast) die ataxie auch schon so früh aufgetreten? du hast ja jetzt schon symptome, kannst daher vielleicht selbst beurteilen, ob du deinen kindern so etwas zumuten willst oder nicht,.
    ein entfernter verwandter von mir, der ein hereditäres quincke-ödem hat, hat derart überlegt, bevor er drei kinder zeugte (von denen die zwei söhne betroffen sind, die tochter ist gesund).
    bei später auftretenden SCAs kann man noch zusätzlich auf die vielen gesunden jahre verweisen. deshalb kann ich es nur schwer nachvollziehen, burkhard, dass du auf kinder verzichtet hast, wo du ja gar nicht genau wusstest, ob du wirklich erkranken würdest und du hast ja wohl auch deutliche symptome erst mit knapp 50 gekriegt (immerhin 10 jahre später als ich!).
    das ist wirklich ein sehr schwieriges und individuell zu betrachtendes thema, eine patentlösung gibt es sicher nicht.
    lg, savine

  • Das is ja das verrückte. SCA2 wird autosomal ominant vererbt also müsste ja einer meiner Elternteile die selbe Krankheit haben. Meine Eltern sind nun 40 bzw. 51. Keiner von denen hat irgendwelche Symptome. Meine sca2 ist jedoch durch einen Gentest belegt. Die Ärzte meinen ich sei die erste Generation meiner Dynastie der die Krankheit zeigt (Großeltern etc. auch nicht), allem anschein nach ist bei mir das Gen mutiert oder so.

  • Dazu muss ich sagen: meine Großmutter hatte diese Gangprobleme, mit 40 Jahren noch nicht so arg, wurde mit zunehmenden Alter aber immer schlechter, bis zu massiven Einschränkungen, sie wurde 82 Jahre. Bei meiner Mama hat es mit ca. 35 angefangen, immer Verdacht auf MS und sie verstarb mit 61 Jahren. Meine Neurologin meinte, ob ich nie Angst hatte, dass zu erben? Ich sagte spontan:Nein. Da ich immer ein fitter Mensch bin/war, dachte ich eher an Ungeschicklichkeit.Seit vorigen Frühj.war für mich ein langer Weg und ich merkte selber, dass mein Körper an seine Grenzen geht.Die Neurologin stellte dann eine Kleinhirnatrophie mit Verd. auf autos.dominanter Ataxie fest und nun warte ich seit drei bangen Monaten auf das ERgebnis meines Gen-Testes, aber ich weiß ja selber am Besten, wenn mein Körper an seine Grenzen geht, aber es ist für die heutige Medizin einfach wichtig, über diese Genkrankheiten zu informieren und Bescheid zu wissen. Für meinen gr.Sohn (22) ist es extrem wichtig, nach mir auch einen Gentest zu machen, mein zweiter Sohn (18) will es eigentlich solange wie möglich nicht erfahren und bei meiner Tochter (10) ist sowieso eine Behinderung(50%) festgestellt worden. Bei meiner Oma und Mama war von Gendiagnose keine Rede, nun ja, wenn die Mediziner aufgrund solchen Diagnosen weiterforschen und endlich die geeigneten Medikamente auf den Markt bringen, ist es ja schon ein Meilenstein in der Entwicklung auf diesen Gebieten, denn wenn mehr Leute über ihre Krankheiten bescheid wissen, umso besser finden sich Testpersonen. Insofern lasse ich mich gerne aufklären, nur die Wartezeiten auf Ergebnisse sind endlos lang. Also ich finde diese Gentests einfach erstaunlich, wie weit die Medizin schon ist. liebe Grüße von Ilse

    „Ich finde, neben der Unwissenheit ist die Gleichgültigkeit das größte Übel auf der Welt.“

  • Die Gendiagnostik ist eine Frage der Ethik.
    Genauso wie das Recht auf Nichtwissen besteht
    besteht das Recht auf Wissen.
    Jeder sollte es selbst entscheiden, ob er dieses Wissen in
    Anspruch nimmt und sein Leben dementsprechend aufbaut.

    Ich persönlich halte eine Gendiagnostik für angebracht und auch das
    Wissen über eine evntl. Erkrankung um sich auf das Leben mit einer Ataxie
    vorzubereiten,
    um nicht ständig im Ungewissen leben zu müssen: "Erkrank ich nun? oder vllt. doch nicht?"

    bacio da bionda

    Einmal editiert, zuletzt von bionda ()

  • Mein Mann hat eine SCA1 und er hat seinem Vater viele Jahre beim Sterben zugesehen. (Er lag die letzten 6 Jahre seines "Lebens" mit offenen Stellen im Bett.) Und da hat er für sich entschieden, daß er das niemandem antun möchte und schon gar nicht seinen eigenen Kindern. Wir haben uns erst viele Jahre später kennen und lieben gelernt. Wir haben oft und lange darüber gesprochen und ich habe mich seiner Meinung angeschlossen, im stillen hoffend, daß die Medizin nun endlich aus den Puschen kommt und was dagegen tut.


    Liebe Grüße
    Katrin

  • Hallo Katrin,
    das problem ist auch in unserer familie, mein vater hatte auch das gleiche.
    Ich habe auch SCA 1 aber ich komme durch bewegung gut damit klar.
    Viele Grüße von der Nordsee
    Rolf.

  • Hallo Rolf!
    Und wie hast Du Dich entschieden, für oder gegen eigene Kinder?


    Grüße aus "Westpolen"
    Katrin

  • Hallo Katrin,
    als ich jung war (23) hatte ich noch keine ahnung und probleme.
    Zu der zeit wurde ich vater, mein sohn, wird aber glaube ich,
    die familie nicht erweitern und ich hoffe die krankheit wird ihn nicht treffen.
    Viele Grüße und ein schönes Restwochenende
    Rolf.

  • Gendiagnose

    Hallo alle zusammen, bei meiner Frau wurde die Friedr. Ataxie vor 35 Jahren diagnostiziert nun seit dezember 2006 war es nicht mehr die FA, eine erneute Untersuchung auf HSP in Regensburg, mit Sicherheit nicht auszuschließen aber eher noch eine SCA, so und was nun?
    Gottseidank wir haben unsere drei Töchter alle hier untersuchen lassen, sie sind keine Täger dieser Krankheit/Gene. Auch unsere kleine Enkeltochter wurde bereits hier schon mituntersucht kein Träger dieser Krankheit/Genes.

    Ich find es es gut, dass es hier bereits die Möglichkeiten für diese Krankheitsbestimmung gibt.
    Nur so wie die Ärztin der Genambulanz es uns in Regensburg erklärte, gehören immer zwei dazu, so muss die Krankheit nicht unmittelbar wieder weitergegeben werden, nur wenn der Vater oder auch die Mutter ein Träger wäre!
    Ich muss auch dazu sagen, dass wir auch vor der Geburt unserer Enkeltochter schon einwenig Angst hatten! Aber die war letztendlich unbegründet.
    Ich glaube auch, dass sich diese Genetischen Diagnosen in den nächsten Jahren noch weiter verfeinern werden.
    Ich finde es Gut, diese Gen-Diagnosen. Nur die Bestimmung der Diagnosen!!
    Liebe Grüsse
    von
    Peter Jäkel

  • ... Nur so wie die Ärztin der Genambulanz es uns in Regensburg erklärte, gehören immer zwei dazu, so muss die Krankheit nicht unmittelbar wieder weitergegeben werden, nur wenn der Vater oder auch die Mutter ein Träger wäre! ...


    Gene und die Vererbung sind offenbar noch immer Bereiche, in denen viel Unsicherheit vorhanden ist.


    Das muss nicht sein, denn auch dazu bietet unsere Seite wichtige Informationen an:



    Eine enfache Beschreibung der Vererbungsregeln


    und eine komplexere Darstellung der Regeln:
    Tiefergehende Beschreibung der Vererbungsregeln.



    Es gibt viel Information auf http://<woltlab-metacode-marker data-name="u" data-uuid="c3483f2b-f78a-406e-bdb3-e2b0d63c24ff" data-source="W1Vd" />www.ataxie.de<woltlab-metacode-marker data-uuid="c3483f2b-f78a-406e-bdb3-e2b0d63c24ff" data-source="Wy9VXQ==" /> :)




  • Vielen Dank das ist sehr aufschlussreich für uns!!
    danke und einen
    Lieben Gruss
    von
    Peter Jäkel

  • Hi,
    als Mutter beh. Zwillinge (wahrsch. durch O2 Mangel bei der Geburt, heute sind meine Kinder 19 J. alt), habe bzw. musste ich mich intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen und will meinen Senf zu diesem heißen Thema auch dazugeben. Meine beide Kinder sind Spastiker und Rollstuhlfahrer, wobei einer jetzt eine „normale“ Hochschulausbildung zum Mediengestalter macht und seit Ende´08 in einerWG lebt, der andere ist schwerst mehrfach behindert und blind. Er muss gewindelt, gefüttert und getragen werden und kann auch nicht sitzen (er hat eine Spezialsitzschale) oder er kann sich nachts allein auch nicht umdrehen. Er ist seit 7 Jahren nachts permanent an einen Pulsoxymeter (O2 Überwachung) angeschlossen, da er u.a. leider öfters einen Atemstillstand hat und dann jedesmal reanimiert werden muss.
    Trotz allem ist er der absolute Sonnenschein in der Familie (auch wenn er seit ein paar Jahren im Heim lebt und nur alle paar WE daheim ist, jedoch bei Krankenhaus Aufenthalten, die leider momentan recht häufig sind, ist jetzt immer sein Vater bei ihm, früher ich).
    Dieses habe ich nur als Einleitung geschrieben, da ich als „medizinischer Spezialfall“ für die Wissenschaft sehr interessant war (und bin) und mir wurde wiederholt von seitens einiger Ärzte nahegelegt bei den Kindern einen Gentest machen zu lassen. Bei mir selbst wurde vor 10 Jahren eine SCA 2 diagnostiziert, was vor ca. 5 Jahren zu einer IDCA revidiert wurde (meine Ataxiekrankheit ist die 1. in der Familienahnengalerie).
    Natürlich macht es mich oft masslos traurig oder wütend, dass ich meinen Kindern nicht mehr die Hilfe geben kann die sie brauchen, aber Selbstmitleid hilft da leider nichts (im Gegenteil, es belastet unser aller Leben dadurch nur noch mehr, ändern kann man eh nichts ,nur versuchen das Bestmögliche herauszuholen)
    Jedenfalls habe ich mich nach vielen Überlegungen und Diskussionen mit meinem Mann, schließlich mit einer umfassenden humangenetischen Beratung, gegen einen Gentest der Kinder entschieden, wobei die folgenden Kriterien uns diese Entscheidung „erleichtert“ haben.
    1.es hat keinerlei therapeutische (schon gar keine prophylaktischen) Konsequenzen
    2. man kann nur feststellen, ob ein krankhaftes Gen vorhanden ist, man kann aber nicht sagen, ob diese KH jemals zu Lebzeiten ausbrechen wird
    3.wie Burkhard so schön formulierte, es wird einem die Hoffnung auf ein Leben ohne SCA genommen (man lebt ständig „in Erwartungshaltung“, denkt bei jedem kleinen Anzeichen: „Oh Gott, jetzt ist die KH ausgebrochen“ – hat damit aber vielleicht gar nichts zu tun)
    4.ich denke man kann sich nicht auf ein Leben mit Ataxie vorbereiten, weil jede KH anders verläuft und man im „gesunden“ Zustand verständlicherweise diese KH verdrängt, außerdem lebt man im gesunden Zustand "ruhiger" wenn man nicht weiß was einen evtl. erwartet
    5.ein positiver Gentest hat heutzutage immer (leider zunehmend) gesellschaftspolitische und versicherungstechnische Konsequenzen

    ich habe keine Zeit mich zu beeilen
    Igor Strawinsky



    Wenn dir das Wasser bis zum Hals steht, lass den Kopf nicht sinken!:rolleyes:




    Kopf hoch, sonst kannst du den Himmel nicht sehen


    Liebe Grüße von Uta

    2 Mal editiert, zuletzt von utsch ()

  • hi liebe utsch(Uta)
    ich kann es nur immer wieder betonen wie toll ihr "fantastischen Vier" seid. Einfach nur bewundernswert,
    wie klasse ihr eure Situation bewältigt.
    Und Raphael ist trotz seiner"Mehrfachbehinderung" ein richtiger Sonnenschein(du hast recht) .
    Ich bin froh euch real zu kennen.

    Trotzdem bin ich der Meinung (wohlbemerkt meine Meinung),dass man sich auf ein Leben mit Ataxie einstellen kann...sicher verläuft jede Ataxie anderst(jeder ist einmalig).

    Zumindest kann man seine Wohnsituation darauf abstimmen
    (ebenerdig,keine Stufen uvm.)
    oder zb auch seinen Berufswunsch davon abhängig machen(keinen
    Dauerstandovations-Job oder wie ich Friseurin/Maskenbildnerin am Theather zu wählen.)

    die Geister streiten sich ob nun Pro oder Contra

    Und was das versicherungstechnische anbelangt ist es halt leider eine Sache unserer "Bürokratie " die vieles zu wünschen übrig läßt.
    lg
    Petra

    bacio da bionda

    2 Mal editiert, zuletzt von bionda ()