Tipps & Tricks für die Tochter parat???

  • Hallo Tochter, ich bin sowohl Tochter einer sca-kranken Mutter als auch selbst Ataktikerin. Da sollte man annehmen, dass ich den ultimativen Ein-und Durchblick habe. Muss dich enttäuschen - so ist es leider nicht.


    Ich kann aber bestätigen, was Manu schreibt.


    Es ist zwingend notwendig, dass Unternehmungen gut geplant sind, d.h. dass sie stressfrei verlaufen - und das bereits im Vorfeld, das ist SEHR wichtig. Wenn es dir Tage vorher schon im Magen liegt dir graust, dann wird der schönste Ausflug ein einziges Horrorszenario und man ist bereit alles abzublasen, obwohl einem fast das Herz dabei bricht.
    Vor einer Woche gab David Garrett in Würzburg ein Konzert. Eine Freundin wollte fahren, da sie ein kleineres Auto hat, deshalb leichter einen Parkplatz findet. Als ich dann erfuhr, wo sie zu parken gedachte und wie weit ich dann laufen müsste - und zwar hin UND zurück (undenkbar...wie soll ich bei den Hintergedanken noch den Fiedler genießen????) wollte ich meine Karte abtreten. Ich war wirklich down - nicht wegen dem Geiger, aber weil mir scheinbar meine Krankheit im Weg steht. ABER mein Vater hat die Sache in die Hand genommen und für mich entschieden. Er hat uns gefahren, direkt am Eingang abgesetzt und der Abend war herrlich, trotz des weitläufigen Geländes. Dort konnte ich alles in meinem Tempo machen und die vielen Menschen verhalfen mir immer wieder zu "Standpausen". Übrigens das Konzert war bestuhlt.
    Alles Umstände dann, die mir Sicherheit gaben während der Veranstaltung und auch weiterhin: Ich habe gesehen, ich kann vieles machen, wenn ich sorgfältig plane und für mich optimale Bedingungen schaffe. Das gibt Zuversicht und Motivation.
    Meine Mutter war während der Veranstaltung mit meinem Vater in der City unterwegs - auch für sie war alles maßgeschneidert.


    Dass deine Mutter die Öffentlichkeit scheut, kenne ich. Es sind die Blicke der anderen, manchmal entwickelt man da auch regelrechten Verfolgungswahn. Du kannst dir aber sicher vorstellen, wie unangenehm das ist. Mich verunsichert das zusätzlich und aus ganz ordentlichen Schrittfolgen werden dann unbeholfene Hatschereien - woraus sich eine Endlosspirale ergibt. Was man dagegen machen kann? Ich wüsste es gerne. Aber ich stelle fest, dass das auch Tagesform ist, wie bei vielen Dingen mit Ataxie. Aber es wir leichter. Allerdings, wenn wir auf völlig neue Menschen treffen, die uns nicht kennen, sind wir beide reichlich verunsichert und auch beschämt.
    Meiner Mutter hat es aber geholfen - auch wenn das jetzt oberflächlich klingt - dass ich sie aus ihrer Gleichgültigkeit herausgerissen und herausgeputzt habe: Ein neuer Schal, eine Hose, ein Duft, zum Friseur....schau mal da, gefällt dir..? Ich denke, das Styling hat ihr eine gewisse Sicherheit zurück gegeben, auch wenn mir klar ist, dass das nicht die Lösung für alles ist - aber ich bekomme sie wenigstens wieder aus dem Haus, besuchen kleinere Veranstaltungen, gehen gemeinsam einkaufen, zum Sport, zur Physio. Sie nimmt wieder etwas mehr am Leben teil.


    So, jetzt bin ich auch in epische Breite verfallen, nix für ungut - dabei könnte ich noch so viel mehr erzählen...


    liebe Grüße


    eva

  • hallo tochter,


    bin selbst ataxie-behinderte mutter von zwei töchtern.
    ich glaube, dass du ein gutes gefühl dafür hast, was sie mag und was ihr gut tut. aber drängel sie nicht, zu einer SHG zu gehen. lass ihr zeit damit. du kannst ja selbst hingehen und gucken, wwwwwie es dort ist.



    grüße von gertrud













    SH

  • Übrigens das Konzert war bestuhlt.


    ... gab es denn keine toiletten? :o ... sorry, konnte nicht anders :D


    aber auch das braucht eine sehr sensible aufmerksamkeit ... es gab phasen in meinem krankheitsverlauf da brauchte ich an jeder ecke eine toilette so sehr hat mich das rausgehen unter streß gesetzt


    insbesondere im cafe oder restaurant ... im sitzen beruhigten sich zwar die beine, aber beim aufstehen zur toilette stakste und wankte ich erstmal bis ich wieder ein gefühl fürs laufen hatte ...


    nü ja ... auch wieder "futter" für hochsensible mitmenschen die dann am nebentisch überlegen wieviel man schon an alk intus hat ... :sarkastisch: aber das soll einem egal werden


    streß rausnehmen könnte dann ein tisch in nähe der toiletten ... oder gar eine unterstützung bis zum wc geben, damit die anderen gäste wahrnehmen können das da eine erkrankung vorliegt


    LG von manu


    ps: lilo ... könntest du bitte noch ein paar absätze bei dir reinzaubern? danke ... :)

  • Sorry Manu - war so im Fluss, sooooooo viele Gedanken...und auch noch alle auf einmal...versprochen: ABSÄTZE!!!


    Gut, dass du es erwähnst, die Sache mit den WCs war tatsächlich ein Problem: Für ca. 12000 Menschen hielt der Veranstalter 8 Toiletten für ausreichend. Meine Freundin war dann auch eine ganze Weile verschwunden. Ich habe schon vermutet, dass der Gang zum Örtchen ein zeitraubendes Unterfangen werden könnte - also lieber wenige Getränke vor und während der Show (glänzende Organisation meinerseits!!!!).


    Ich erkenn mich da auch wieder, was du darüber schreibst, wie es ist, nach längerem Sitzen wieder aufzustehen - als würde ein stotternder Motor erst wieder ganz langsam - mäßig - schnurren.


    Was ich allerdings nicht erwähnt hatte in meiner ellenlangen Ausführung ist, dass Lob, Motivation und Komplimente genau wie für jeden Menschen auch für Ataktiker lebensnotwendig sind. Ich fühlte mich sooooo lange sooooooooo reduziert - als Mensch und als Frau. Es gab nur Krankheit, nur Einschränkung, nur Grenzen. Es gilt den Blickwinkel zu verändern. Nicht nur sehen, was ich schlechter kann oder gar nicht, sondern was alles noch geht oder eben was ich trotz Ataxie in meinen Möglichkeiten hinbekomme, beispielsweise einen Sturz mit unvergleichlicher Eleganz und Anmut abzufangen, trotz tattriger Finger einen Faden nach nur zig Versuchen ins Öhr einzufädeln.


    Ich habe eben meine ehedem gesunde Messlatte verschoben - das hilft.


    Es bedeutet aber nicht, dass ich Herausforderungen scheue.


    Es bedeutet aber auch nicht, dass es mir zu einem durchgehend positiven, leichten Lebensgefühl verhilft. Ich erlebe sehr wohl sehr dunkle Momente - aber eben nur zeitweise, weil ich mir dann vor Augen halte, was "läuft", dann hilft mir Lob, ein Kompliment. Sie streicheln das Seelchen, richten es wieder auf....und wenn es noch immer nicht will, ist auch das Gegenteil hilfreich: Ein kräftiger Tritt in den Allerwertesten.


    eva

  • ..... die Sache mit den WCs war tatsächlich ein Problem.....


    Für mich ist das auch immer eine große Herausforderung, wenn ich irgendwo hingehe.


    Meist - es bleibt ja unter uns *zwinker* - ziehe ich mir sehr dicke Einlagen an, musste glücklicherweise bisher aber keinen "Gebrauch" davon machen (toi toi toi) .:Kapitulieren:


    Auch trinke ich so wenig wie möglich vorher und während ich unterwegs bin, vor allem wenn ich weiß, dass keine Behindertentoiletten zur Vergügung stehen, bzw. die Toiletten nur über Treppen zu erreichen sind.

    Liebe Grüße von Maria

    Die wahren Lebenskünstler sind bereits glücklich, wenn sie nicht unglücklich sind

    (Jean Anouilh)





  • Was ich allerdings nicht erwähnt hatte in meiner ellenlangen Ausführung ist, dass Lob, Motivation und Komplimente genau wie für jeden Menschen auch für Ataktiker lebensnotwendig sind. Ich fühlte mich sooooo lange sooooooooo reduziert - als Mensch und als Frau. Es gab nur Krankheit, nur Einschränkung, nur Grenzen. Es gilt den Blickwinkel zu verändern.


    Ich habe eben meine ehedem gesunde Messlatte verschoben - das hilft.


    würd am liebsten alles zitieren und bestätigen, aber DAS spricht mir aus der tiefsten seele ... :Daumen_rauf: denke auch,


    wenn das umfeld rein defizitorientiert ist (laß mal ... ich mach mal lieber ... meinst du wirklich? ... das war dir letzte mal doch schon zuviel ...)


    neues umfeld suchen!


    jepp maria ... mach ich auch so ... entspannt mich und beifahrersitze

  • .....jepp maria ... mach ich auch so ... entspannt mich und beifahrersitze


    bekenne mich auch zu diesem hilfsmittel als rollifahrerin....:Versoehnung:

  • Hallo Eva
    so wie es deiner Mutter geht, geht es auch mir, ich gehe zwar nach der Arbeit noch in die Stadt, könne mir einen Kaffee oder


    gehe nur bummeln, aber das Gefühl immer beobachtet zu werden ist auch bei mir, gehe je nach Tagesform sehr wackelig, wie


    besoffen, rüber und nüber, kann entgegenkommenden Passanten schlecht ausweichen.


    Deshalb vermeide ich Großveranstaltungen, ebenwie Konzerte, wie neulich auf der Residenz oder Weinfeste, die ja jetzt


    in Würzburg gehäuft stattfinden.


    Deshalb bewundere ich Dich, daß Du beim Konzert warst.


    LG aus Würzburg Pele

    Einmal editiert, zuletzt von pele ()

  • Hallo Pele, tja...da bewegen wir uns wohl gleichermaßen grazil durchs Leben....mal mehr, mal weniger. Die Sache mit der Tagesform ist einerseits ärgerlich und deprimierend, wenns eben nicht mein Tag ist, andererseits dann aber auch tröstlich, weil der Nächste könnte ja wieder ein ganz passabler werden. Wir sollten uns einfach nicht zu sehr von den weniger guten gefangen nehmen lassen....jaaaaaaaaa, ich weiß, das klappt nicht immer und unversehens schnappt die Falle zu.


    Danke, danke für deine Worte der Bewunderung, aber ich habe NICHT ganz gezielt die Sache geplant. Es war vielmehr so, dass meine Freundin Martina unbedingt dorthin wollte, sich aber niemand finden wollte, um sie zu begleiten.


    Meine alte spontane Ader hat die Oberhand gewonnen und ich habe mich ganz spontan, ohne einen Gedanken an die Konsequenzen zu verschwenden, angeboten. Sie wollte das so gerne, keiner hat sich erbarmt, ich wollte ihr eine Freude machen...schon war ich drin in der Nummer.


    Seit Oktober nun hatte ich reichlich Zeit, mir die Sache in den wildesten Farben auszumalen - und ich kann dir sagen, mein Kopfkino ist ziemlich schräg und abgefahren.


    Ich finde daher nicht, dass das so bewundernswert ist, sondern eher leichtsinnig und unüberlegt....doch ich war immer sehr spontan, was mein neues Leben nicht sonderlich erleichtert.


    Aber es hat ja bestens geklappt, war nicht das befürchtete Fiasko.


    Was ich mit dem langen Sermon eigentlich sagen möchte, ist, wir sollten möglicherweise unseren spontanen, auch impulsiven Eingebungen nachgeben. So vieles fügt sich wundersamerweise. Vielleicht "zerdenken" wir zu vieles und stehen uns damit selbst im Weg. Ich glaube, bei mir läuft das genau so viel zu oft.


    Wir sind ja praktisch Nachbarinnen! Liebe, liebe Grüße aus Uffenheim


    eva

    • Offizieller Beitrag


    Was ich mit dem langen Sermon eigentlich sagen möchte, ist, wir sollten möglicherweise unseren spontanen, auch impulsiven Eingebungen nachgeben. So vieles fügt sich wundersamerweise. Vielleicht "zerdenken" wir zu vieles und stehen uns damit selbst im Weg. Ich glaube, bei mir läuft das genau so viel zu oft.


    Hallo Eva,
    genau das bekomme ich von meiner Krankengymnastin zu hören.immer dann,
    vor allem wenn ihr ex-Englischlehrer eine Depri-phase hat.
    LG


  • Da fällt mir nun nur spontan ein, dass ich nicht so recht verstehe, was genau du mir damit sagen möchtest!?!?:Goldfischglas:

  • hallo jürgen


    also mit dem einfach tun ist das so eine sache, ich denke da auch erst mal abwägen.


    vielleicht hängt das auch, wie mit sehr vielen anderen dingen, mit dem alter zusammen.


    man kann vieles besser einschätzen und der mensch ist ja auch verschieden.


    früher hat man ganz spontan was gemacht, heute überlege ich und oft macht einem der körper bewußt, das er bestimmt.


    lg bine

  • Hallo !
    Ich nehme mir immer einen Tag Zeit für die Ausführung.
    Aber überdenken tuhe ich die Sachen schon.
    Wenn es nicht so läuft wie ich es denke, ist es schlecht.
    Ich plane alles aber es klappt nicht alles.
    Ich komme aber mit den nicht geklappten gut zurecht.
    Ich mache es dann anders, und vergesse das geplante schnell.
    LG Wuschel

    • Offizieller Beitrag

    also mit dem einfach tun ist das so eine sache, ich denke da auch erst mal abwägen.


    es ist schon richtig: gerade als SCA-geschädigter muß man
    überlegen - aber nicht zu lange.
    (z.B für meinen Besuch der IGS habe ich mir einen E-scooter reserviert-
    aber was die "WC.Frage" angeht....)
    LG