10-tägige Ataxie-Komplexbehandlung am Uni-Klinikum in Bonn - Erfahrungsbericht

  • Meine Frau war im Oktober 2022 am Uni-Klinikum Bonn bei einer 10-tägigen Ataxie-Komplexbehandlung. Sie ist ähnlich aufgebaut wie die Parkinson-Komplexbehandlung (link), die dort angeboten wird. Man wird stationär in die Neurologie aufgenommen, und dann finden dort verschiedene Behandlungen statt. Wie der Plan bei meiner Frau genau aussah, ist im (anonymisierten) Anhang zu sehen.


    Die Kohorte der Personen, die eine Komplexbehandlung wahrnehmen, bestand aus drei Personen, von denen sich allerdings eine Person nach 4 Tagen selbst entließ, da eine erwartete TMS-Behandlung (siehe Herax Feb 2022) nicht stattfand. Diese TMS-Behandlung fand auch bei meiner Frau nicht statt, war aber im Vorfeld im Gespräch mit der Leitung der Neurologie bei dem Krankheitsbild meiner Frau (Kleinhirnatrophie) auch als nicht angebracht bewertet worden.


    Das Pflege- und Therapiepersonal war durch die Bank freundlich und zuvorkommend, aber die Krankenhausatmosphäre der Neurologie war doch sehr spürbar - Patienten, die in Nebenzimmern nachts riefen oder Patienten, denen es wirklich nicht gut geht, als Zimmergenossen, was die Stimmung dann bei meiner schon unter Depressionen leidenden Frau weiter runterzog. Auch war die Therapie weniger intensiv als erhofft, wobei wir zu Hause allerdings schon von einer sehr guten Versorgung mit kompetenten Therapeuten profitieren, die es sicher nicht überall gibt.


    Es gab einige Lichtblicke, die ich vorher nicht kannte:

    • Kinesthetik als anderer Ansatz, einen "behinderten" Körper bestmöglich zu nutzen, siehe z.B. https://www.kinaesthetics.net/
    • Neuropsychologie als für solche Krankheitsbilder besonders geeignete Form der Psychotherapie, siehe z.B. https://www.gnp.de/
    • Zur Behandlung der Depression Buproprion zusätzlich zu Escilatoparam (diese Kombination führte zu einer echten Verbesserung des Gemütszustandes meiner Frau)
    • SRT (Statistische Resonanztherapie) als neue Art der Bewegungsmobilisierung - leider nicht einfach zu Hause weiterzuführen, da nicht viele Physio-Praxen das Gerät im Angebot haben.

    Als Privatpatient bekomme ich ja die Rechnungen, und insgesamt fielen Kosten von ca. 8000 EUR an. Diese Kosten wurden zwar im Wesentlichen von meiner Versicherung getragen, aber wenn ich diese Kosten in Relation setze zu den Kosten für die erfolgten Behandlungen, so ist der Löwenanteil der Kosten für die stationäre Versorgung.


    Da ich jeden Tag meine Frau besuchte, damit sie nicht zu sehr stimmungsmäßig in ein Loch fällt, und sich wenigstens mit mir mal vor die Zimmertür begibt, war die Behandlung auch nicht die erhoffte Entlastung für mich. Unter dem Strich war meine Frau dort, insgesamt gesehen, weniger aktiv als zu Hause, und kam erst mal deprimierter aus der Klinik zurück als sie reingegangen war. Längerfristig waren die o.g. neuen Anregungen in Teilen schon hilfreich, aber der Aufwand, an diese Info zu kommen, sehr hoch.

  • Herzlichsten Dank für diesen ausführlichen Bericht.


    Das es so etwas gibt, habe ich nicht gewußt. Daher vielen Dank.


    LG von Manu

    Liebe Grüße von Manu


    Denke nicht an das Gewinnen, doch denke darüber nach, wie man nicht verliert.

    Gichin Funakoshi

  • Ich habe diese Therapie auch gemacht zusammen mit der TMS-Behandlung und mir hat sie sehr gut geholfen. Auch die Atmosphäre auf der Station empfand ich als gut. Das einzige was gestört hat ich habe in den 10 Tagen 6!! neue Nachbarinnen bekommen. Die eine Dame war sogar nur für knapp 3 Stunden da.


    Ich bin auch für verschiedene Tests in das gegenüberliegende DZNE gegangen. Die haben mich auch über verschiedene mögliche zukünftige Studien aufgeklärt und mich dafür aufgenommen.

    Im großen und ganzen fand ich die Behandlung gut und freue mich schon auf das nächste Mal. Dann allerdings ohne die TMS-Behandlung.

  • Weitere Erfahrungsbericht zum Ataxiekompleksbehandlung in der Uniklinik Bonn.


    Als SCA-Patientin war ich selber Ende Oktober Nutznießerin dieser Behandlung. Mein Vergleich wäre die zwei Reha-Maßnahmen, die ich wegen der Ataxie genehmigt und unternommen habe. Ganz pragmatisch: Es war unfassbar schwer, eine Reha durch zu kriegen, wohingegen die Kompleksbehandlung wohl bei entsprechender Indikation jedes Jahr ziemlich problemlos genehmigt wird. Zweitens war diese wegen der Focussierung auf der Ataxie und die Kenntnisse der Therapeuten (und Ärzte) genau so effektiv in meinem Fall wie 4 Wochen Reha. In der Reha wurde manche Sachen (wie Ergotherapie) häufig gemacht, in Bonn wurde nur gezielt nach Bedarf gefragt und beraten. Man muss schauen, was man braucht; für mich war das Bonner-Modell hilfreich, aber Andere mögen es anders bewerten.

    Was für mich erleichternd in Bonn war: Meine Ansprechpartner haben alle sofort verstanden, worüber ich sprach. Das hört sich vielleicht doof an, aber manchmal habe ich sonst das Gefühl gehabt, keine Ahnung zu haben wie ich das betreffende Symptom o.Ä. sonst beschreiben könnte und dann schlicht aufgegeben. Hier fand ich alles leicht.

    Die Unterbringung ist in der Tat "Krankenhaus", auch das muss man bedenken. Für eine Person mit Depression ist es bestimmt nicht förderlich für das Wohlbefinden; ich habe das Glück, nicht davon zu leiden. Für mich war es zwischendurch auch problematisch, da wurde mir jedoch sofort geholfen (Zimmerverlegung).

    Im Vergleich zu den beiden Reha´s ist zu betonen, die Verbesserungen, die ich in Bonn erreichen konnte, waren objektivierbar durch den Ataxiescore. Ich habe mich in 8 Tagen um 20% verbessert! Ferner kann ich sagen, die Verbesserungen sind noch wirksam, ob in selbem Ausmass kann ich nicht sagen, aber bei mehreren Übungen ist es zweifelsfrei fest zu stellen. Letzteres war bei den Reha´s nicht der Fall.

    Sowohl von den Reha´s wie auch von Bonn nahm ich mehrere Ideen für zu Hause mit.

    Im Gegensatz zu der anderen Frau habe ich letzendlich an der TMS-Studie teilnehmen können. Es kann also sein, ich habe das Glück gehabt, tatsächlich die Magnetstrahlen bekommen zu haben und die haben dann die genannte positive Wirkung gehabt und weniger das Ataxiekompleksprogramm.

    Persönlich habe ich vor, nächstes Jahr das Programm zu wiederholen und bin erstens gespannt, ob dann die TMS-Behandlung standardmässig angeboten wird und zweitens, ob ähnliche Verbesserungen feststellbar sind.